Das Unternehmen
- Name: Werkstatt Bremen – eingetragener Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen
- Sitz: Bremen
- Beschäftigte: ca. 2.000 (einschließlich Martinshof)
- Branche: Dienstleistung (z. B. Hilfsmittel-Logistik), Lohn- und Auftragsfertigung
Der Martinshof ist mit ca. 2.000 Arbeitsplätzen für Menschen mit und ohne Handicap eine der ältesten und größten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Deutschland und ist an 30 Standorten im Bremer Raum aktiv. Werkstatt Bremen, ein eingetragener Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen, ist Träger des Martinshofs. Die Arbeitsschwerpunkte orientieren sich an vielfältigen Aufgabenstellungen aus den Bereichen Rehabilitation und Produktion, zum Beispiel Systemlieferant für die Automobilindustrie und professioneller Dienstleister für Co-Packing, Fahrzeugpflege, Metallbearbeitung, Gartenbau oder Dokumentenmanagement.
Die Herausforderung
Die Automobilindustrie ist nach wie vor einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Neben den Automobilherstellern erwirtschaften ca. 950 Unternehmen der automobilen Zulieferindustrie einen Umsatz von über 400 Milliarden Euro pro Jahr.
Eine hohe Individualisierung der Produkte, kurze Bestandsreichweiten und nicht zuletzt die Volatilität der Märkte stellen hohe Anforderungen an die Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Qualität der Automobillogistik. Ineffiziente, fehlerbehaftete Prozesse können die logistische Zielerreichung gefährden. Aufgrund der weitgehenden Reduzierung von Sicherheitsbeständen im Rahmen von Lieferkonzepten wie Just-in-Time (JiT) oder Just-in-Sequence (JiS), welche eine bedarfssynchrone bzw. reihenfolgesynchrone Anlieferung von Zulieferteilen im Produktionswerk realisieren, besteht häufig nur ein geringer Zeitraum zur Reaktion auf Lieferstörungen, ansonsten droht Produktionsstillstand.
Aufgrund mangelnder Echtzeittransparenz der logistischen Prozesse werden Prozessstörungen gegenwärtig oft mit Zeitverzug erkannt und kommuniziert. Bisher verfügen viele Unternehmen nur über einen geringen Automatisierungsgrad beim Überwachen der Zulieferkette. Dies bedingt eine späte Initiierung von Korrekturmaßnahmen und schränkt den verfügbaren Zeitraum für die Durchführung von Korrekturmaßnahmen ein.
Betrachtet wird hier ein Zulieferprozess, bei welchem Werkstatt Bremen als Logistik-Dienstleister für einen Automobilhersteller nach dem Just-in-Sequence-Prinzip automobile Komponenten und Materialien kommissioniert und reihenfolgesynchron in Sonderladungsträger (SLT) verpackt. Sonderladungsträger sind große Metallboxen, welche zum Transport größerer Zulieferkomponenten (wie zum Beispiel Stoßstangen) dienen. Sie sind in ihren Abmessungen speziell zur Aufnahme dieser Teile angepasst.
Die befüllten SLT werden per Lkw zum Kunden (Automobilhersteller) transportiert und bei diesem in einem Materialbahnhof (Zwischenpuffer) abgeliefert. Auf dem Rückweg werden leere SLT zur erneuten Befüllung zum Zulieferer gebracht.
Ablauf des Zulieferprozesses
- Reihenfolgesynchrone Befüllung der SLT mit Zulieferteilen beim Zulieferer (Werkstatt Bremen)
- Transport der befüllten SLT per Lkw zum Automobilhersteller und Ablieferung in einem Materialbahnhof beim Automobilhersteller
- Mitnahme von leeren SLT, deren Teile bereits vorher beim Automobilhersteller zum Einbau entnommen wurden, auf dem Rückweg zum Zulieferer (Werkstatt Bremen)
- Identifikation der eingetroffenen, leeren SLT beim Zulieferer durch Barcode-Scannen und Erfassung in einer Datenbank. Die Erfassung ist jedoch nicht immer zuverlässig.
- Versendung beschädigter SLT zu einem Reparaturdienstleister durch den Automobilhersteller; teilweise auch Versendung von leeren SLT auch zu einem anderen Zulieferer (beides ohne Mitteilung); deshalb nicht immer vollständige Rückführung der leeren SLT zum Zulieferer (Werkstatt Bremen).
- Ersatzbeschaffung von SLT durch den Zulieferer (Werkstatt Bremen) bei Unterschreitung einer Mindestanzahl an rückgeführten SLT
Es erfolgt leider nicht immer eine vollständige Rückführung des Leerguts zum Zulieferer, da die SLT Beschädigungen erleiden können. Beschädigte SLT werden zur Reparatur in einen separaten Reparaturkreislauf (bzw. Verschrottung) bei einem Reparaturdienstleister ausgesondert. Eine weitere Ursache stellt die Versendung an einen anderen Zulieferer dar. Die Nichtrückführung von SLT wird beim Zulieferer häufig erst bemerkt, wenn die Umlaufmenge der SLT sinkt.
Eine gegenwärtig installierte Barcode-Identifikation der SLT sieht vor, dass die leeren SLT nach Rückkehr zum Zulieferer durch manuelles Scannen der SLT-Barcodes in einer Datenbank erfasst werden. Dadurch werden die Zahlen der SLT, welche vom Automobilhersteller zurückgesendet und wieder bei Werkstatt Bremen eingetroffen sind, aktualisiert. Die Zahlen der neu an den Automobilhersteller versendeten SLT werden ebenfalls aktualisiert.
Bei Unterschreitung einer Mindestanzahl an bei der Rückkehr erfassten SLT erfolgt eine Ersatzbeschaffung beim Produzenten der SLT. Die Erfassung funktioniert jedoch aus verschiedenen Gründen nicht immer zuverlässig und SLT können auch nach längerem Ausfall wieder im Kreislauf erfasst werden.
Bei vollautomatischer Erfassung mittels geeigneter Sensor- und Ortungstechnologien können die Ladungsträger in den einzelnen Prozessschritten schneller und zuverlässiger erkannt werden, so die Erwartung des Zulieferers (Werkstatt Bremen). Außerdem kann der manuelle Aufwand zum Scannen eingespart werden. Durch eine vollständige Erfassung und Dokumentation der Standorte der Ladungsträger beim Automobilhersteller (Warteplätze, Bahnhöfe, Produktionshallen), Lieferanten (Kommissionier- und Übergabeflächen), in der Reparaturwerkstatt und auf den Transportwegen sollte also idealerweise eine nachhaltige, schnelle und zielgerichtete Reaktion zur Lösung von Engpässen bezüglich Leergut ermöglicht werden, so die Hoffnung des Zulieferers (Werkstatt Bremen).
Der Wunsch
Seitens der Werkstatt Bremen bestand der Wunsch nach Hilfestellung bei der Identifikation einer Lösung zur zeitnahen und quasi-kontinuierlichen Positionserfassung der Sonderladungsträger. Die Hilfestellung des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Bremen bezog sich dabei auf:
- Identifikation geeigneter Lösungen zur Positionserfassung, basierend auf mobilen Sensorsystemen (bzw. Track-Systemen), wobei Sensoren bzw. Tracker an die SLT angebracht werden
- Abschätzung der Kosten für eine geeignete Lösung
- Abschätzung möglicher Einsparungen durch die Lösung
Die Vorgehensweise
Prozessaufnahme: Zunächst wurde die grundlegende Problemstellung in einem gemeinsamen Workshop mit Mitarbeitenden von Werkstatt Bremen aufgenommen. Im Anschluss erfolgte die Prozessaufnahme für Kommissionierung, Zwischenpufferung, Versand, Rückführung der SLT und Ausschleusung beschädigter SLT mit Aufnahme der prozessbedingten Anforderungen. Die Prozessaufnahme erfolgte durch Besichtigung der einzelnen Prozessstationen vor Ort bei Werkstatt Bremen, Befragung der zuständigen Mitarbeitenden und Einsammlung beispielhafter Dokumente, wie zum beispiel Ausdrucken von Warenbegleitscheinen. Weiterhin erfolgte durch Einsicht in das Softwaresystem zur SLT-Verbuchung für einen ausgewählten SLT-Kreislauf bei Werkstatt Bremen zusammen mit den für die SLT verantwortlichen Angestellten sowie Aufnahme von Screenshots. Hierbei wurden die Anzahl umlaufender SLT sowie die Häufigkeit und Genauigkeit der Erfassungen der SLT ermittelt.
Marktanalyse: Basierend auf den identifizierten Prozessanforderungen wurden am Markt verfügbare mobile Sensor- und Tracking-Systeme zur Positionserfassung beziehungsweise Lokalisierung identifiziert und mit den aufgenommenen Anforderungen verglichen. Die Marktanalyse erfolgte durch Internetrecherche und Telefonate mit Anbietern von mobilen Sensorsystemlösungen.
Wirtschaftlichkeitsbewertung: Diese beinhaltete für den beispielhaft ausgewählten SLT-Kreislauf die überschlägige Ermittlung und Schätzung der Kosten für die verfügbaren mobile Sensor- und Tracking-Systeme sowie die Abschätzung. Kosten für die Sensorsystemlösungen wurden aus den Herstellerangaben ermittelt, weitere Kosten für die Einführung wurden durch Zuschlagsfaktoren nach Erfahrungswerten berücksichtigt. Zur Abschätzung der Einsparungen wurden in einem Workshop mit Werkstatt Bremen relevante, bestehende Kostenfaktoren ermittelt, die Abschätzung der Kosteneinsparungen erfolgte dann wieder aus Erfahrungswerten.
Kurzform Vorgehensweise und Zusammenarbeit:
- Workshop zur Problemaufnahme
- Prozessaufnahme beim Zulieferer (Werkstatt Bremen) durch Begehung vor Ort, Befragung von Mitarbeitern, Sammlung beispielhafter Dokumente und Einsicht in Softwaresysteme
- Marktanalyse mittels Internetrecherche
- Wirtschaftlichkeitsbewertung durch überschlägige Ermittlung der Kosten für eine Sensorsystemlösung und Abschätzung der aus möglichen Prozessverbesserungen resultierenden Kosteneinsparungen
Das Ergebnis
Es konnten mehrere marktreife und potenziell geeignete mobile Sensorsystemlösungen zur Positionserfassung von Sonderladungsträgern mittels mobiler Sensoren zur Positionsdatenerfassung und entsprechender Software zur Datenauswertung, Analyse und Visualisierung identifiziert werden. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbewertung konnten Einsparungspotenziale identifiziert werden, welche die Kosten zur Einführung einer mobilen Sensorlösung zur Positionserfassung unter bestimmten Umständen decken können.
Die Methoden
Mit diesen Methoden wurde das Projekt schrittweise umgesetzt:
- Prozessanalyse
- Anforderungserhebung
- Marktanalyse
- Kostenrechnung und Investitionsrechnung
Die Kosten
Das Erstellen der Digitalisierungs-Roadmap in Zusammenarbeit mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Bremen war aufgrund der Förderung durch Mittelstand-Digital für die Werkstatt Bremen kostenfrei.
Das Kompetenzzentrum Bremen informiert und sensibilisiert kostenfrei die kleinen und mittleren Unternehmen rund um das Thema Digitalisierung. Dazu zählt auch die Unterstützung bei der Planung von Digitalisierungsvorhaben.
Sie wünschen ebenfalls Unterstützung bei einer Digitalisierungsmaßnahme oder einfach nur eine zweite Meinung?
Dann rufen Sie uns an!
Tel.: +49 (0) 421 9600 – 260
E-Mail: kontakt@kompetenzzentrum-bremen.digital
Wir informieren Sie gerne im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Ihr Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Bremen
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