Wie fängt man als Handwerker mit der Digitalisierung an?

Das Handwerk hat goldenen Boden – und immer viel zu tun. Das gilt auch für die Igel Bäckerei Holste aus Sottrum. Geschäftsführer Jörn Holste hat sich trotzdem Zeit für die Digitalisierung genommen. Denn anders geht es nicht weiter.

„Das schwierigste ist es, anzufangen“ – das weiß Jörn Holste heute. Der Geschäftsführer der IGEL Bäckerei aus dem niedersächsischen Sottrum setzt konsequent auf Digitalisierung. Denn auch das traditionelle Backhandwerk kommt ohne nicht mehr aus.

Holste gehört zu einer neuen Generation von Geschäftsführern. Er gibt sich nahbar, trägt Pullover und Jeans, auch, wenn er Videos für die Facebookseite des Unternehmens aufnimmt. Er möchte nicht der autoritäre Ansager „von da oben“ sein, sondern der Berater und Coach, der seinen Angestellten hilft, eigenverantwortlich zu arbeiten.

Das war aber nicht immer so. Der Bäckermeister übernahm 2001 den Traditionsbetrieb mit seinen sechs Filialen und heute 100 Beschäftigten. Mit der Zeit störten ihn zahlreiche Prozesse im Alltag: „Ich fühlte mich wie im Hamsterrad. Es entstand unnötiger Stress durch schlechte Kommunikation und mangelhafte Abläufe, mir fehlte eine klare Perspektive“, erinnert er sich. Der harte Preiskampf durch den Einstieg vieler Discounter in die Backsparte kam da erschwerend hinzu.

Jörn Holste, Bild: IGEL Bäckerei
Jörn Holste, Bild: IGEL Bäckerei

Schon länger Interesse an digitalen Themen

Veränderung musste her, das wurde ihm klar – und Digitalisierung könnte ein Ausweg sein. Aber wie? „Ich hatte natürlich Bedenken, Veränderung bedeutet ja immer auch zusätzliche Belastung für die Angestellten“. Holste selbst bezeichnet sich als technikaffin, er hat Spaß an Neuem – aber nicht alle Beschäftigten ticken so.

Auslöser, den ersten Schritt zu gehen, war letztlich ein Vortragsabend der Industrie- und Handelskammer über Digitalisierungschancen im Handwerk durch eine Beraterin des bundesweiten Förderprogramms go-digital.

Mit ihr organisierte Holste eine Reihe von Terminen, Interviews und Workshops. „Wir haben uns alle Prozesse angesehen, Vertrieb, Produktion, Verwaltung, Marketing, Geschäftsführung. Und dann überlegt, was man da machen kann.“

Ziel: Mit Digitalem effizienter werden

Der wichtigste Schritt, so sagt er heute, war aber die Entwicklung einer Vision. „Die Bäckerei soll eigenverantwortlich laufen, ich möchte künftig Berater für meine Beschäftigten sein“, so formuliert er sie. Eine Vision, die ihm neue Motivation gab.

Und bei der digitale Technologien helfen sollen. „Wir gehen den Weg in kleinen Schritten, aber konsequent“, sagt er. So arbeitet er derzeit an der Einführung eines Zeiterfassungs-Tools, um Arbeitszeiten digital aufzuzeichnen und so die Lohnbuchhaltung zu vereinfachen. Eine weitere Baustelle ist das papierlose Büro: Holste möchte durch Einführung von Tablets und neuer Software an zahlreichen Stellen Checklisten und Dokumentationen vereinheitlichen und so Doppelarbeit vermeiden. Ein Beispiel dafür sind digitale Backzettel für die Produktion, auf der alle Rezepte hinterlegt sind. Ein dritter Bereich ist die Einführung neuer Office-Programme, moderner IT-Infrastruktur sowie die Nutzung digitaler Organisationstools wie zum Beispiel Trello.

Eine der wichtigsten Neuerungen spielt sich aber in der internen und externen Kommunikation ab. Holste weiß, wie wichtig es ist, die Angestellten mitzunehmen. Seit neuestem versendet er regelmäßig einen internen Newsletter, in dem er über neue Entwicklungen spricht – indem er Kurzvideos aufnimmt. Da es in allen Filialen Tablets und Computer gibt, können Angestellte diese auch ansehen, wenn sie nicht direkt im Stammhaus in Sottrum arbeiten.

Rund 100 Beschäftigte arbeiten in den IGEL-Filialen, Bild: IGEL Bäckerei
Rund 100 Beschäftigte arbeiten in den IGEL-Filialen, Bild: IGEL Bäckerei

Social Media ersetzt Print

Nach außen hin dürfte vor allem der Facebook-Kanal der Bäckerei für Aufsehen sorgen. Über 6.000 Menschen folgen der Bäckerei, die nicht nur neuste Angebote postet, sondern auch aus dem Arbeitsalltag erzählt. Kürzlich interviewte Holste zum Beispiel den früheren Inhaber über die Gründungszeit der Bäckerei. Diese Geschichten dienen nicht nur der Kundenbindung. „In dem wir präsent sind und über unsere Arbeit erzählen, wollen wir auch potenzielle Bewerberinnen und Bewerber auf uns aufmerksam machen“, sagt er. Zu diesem Zweck gibt es ein Smartphone, das Angestellte nutzen können, um Bilder oder Videos aufzunehmen und zu posten – bald auch für Instagram.

Mehr als Chefsache

Das Digitalisierung nicht bloß Chefsache ist, dessen ist der Bäckermeister sich bewusst. „Ich möchte meine Angestellten von Betroffenen zu Beteiligten machen. Sie sollen den Wandel mitgestalten können“, wünscht er sich.

Und hat sich nach den ersten Monaten die Befürchtung bewahrheitet, dass die Belastung für die Angestellten durch den Digitalisierungsprozess steigt? „Natürlich resultieren Veränderungen in höherer Belastung. Aber die Ressourcen, die an der einen Stelle gebunden werden, werden an anderer Stelle durch die Digitalprozesse auch wieder frei“, ist er überzeugt.

Stammhaus in Sottrum, Bild: IGEL Bäckerei
Stammhaus in Sottrum, Bild: IGEL Bäckerei

Zum Leuchtturm für gelungene Digitalisierung im Handwerk werden

Zum Abschluss bleibt noch eine Frage:  Ist er seiner Vision näher gekommen? „Ich greife noch öfter ein, als ich eigentlich sollte – vielleicht habe ich zu viel Angst vor dem Kontrollverlust“, gibt sich Holste nachdenklich. „Man muss ständig sein Handeln reflektieren. Im Großen und Ganzem bin ich aber überzeugt, dass wir auf einem sehr guten Weg sind und zu einem Leuchtturm werden können.“

Weitere Informationen zur Digitalisierung im Handwerk und zu Förderprogrammen gibt es bei Lisa Buschan & Daniel Schneider, 0421 9600260 oder ds@kompetenzzentrum-bremen.digital

Igel Bäckerei Holste

Die niedersächsische Bäckerei und Konditorei mit ihren sechs Filialen und 100 Angestellten wurde 1946 gegründet und wird heute in dritter Generation geführt. Es ist Teil von „Natur pur“ – einem Gütesiegel, das auf künstliche Zusatzstoffe und Fertigmischungen verzichtet  und ganz auf traditionelles Backhandwerk setzt.

go-digital

Das Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie fokussiert sich speziell auf kleine und mittlere Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft oder des Handwerks. Es unterstützt in den drei Bereichen „Digitalisierte Geschäftsprozesse“, „Digitale Markterschließung“ und „IT-Sicherheit“ durch die Förderung von Beratungsleistungen.

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