Leitfaden Digitalisierung: Wie können Unternehmen digital werden?

Dieser Leitfaden für die Digitalisierung in Unternehmen gibt einen ersten Einblick und eignet sich vor allem für kleine und mittelständische Betriebe, in denen Ressourcen und Zeit oft begrenzt sind. Er ist das Ergebnis zahlreicher Workshops und Seminare, die vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum und den Bremer Digital-Lotsen durchgeführt wurden.

Jedes Unternehmen ist so einzigartig wie die Menschen, die darin arbeiten. Kann es da ein Patentrezept für alle geben? So unterschiedlich Organisationen sein können – Tipps und Erfahrungswerte lassen sich durchaus übertragen.

Vorwissen rund um neue Technologien wie künstliche Intelligenz oder Data Analytics ist dafür nicht notwendig, denn dafür gibt es Profis. Sie müssen sich nur mit Ihrem Unternehmen auseinandersetzen – dafür sind Sie ja Expertin oder Experte.

Und wenn Sie mal ein Problem haben und nicht mehr weiter wissen, rufen Sie das Team des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Bremen, das Ihnen kostenlos und unabhängig zur Seite steht.

 Inhaltsverzeichnis Leitfaden Digitalisierung

Leitfaden Digitalisierung_Schritt_1

Leitfaden Digitalisierung Schritt 1: Digitalisierungspotenziale im Unternehmen ausmachen

Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sie hat immer ein Ziel: Prozesse zu vereinfachen, Zeit und Kosten einzusparen oder neue Geschäftsfelder zu erschließen. Werden Sie sich daher klar darüber, mit was Sie sich überhaupt beschäftigen wollen.

Beginnen Sie damit, Ihr Unternehmen zu betrachten: Wo gibt es Prozesse, die nicht ideal funktionieren, die unnötig kompliziert sind oder einfach viel zu lange dauern? Wo hakt es? Wo treten immer wieder Fehler auf? Wo entstehen unnötige Kosten?

Um einige Felder zu nennen:

  • Produktion: Laufen Prozesse automatisiert? Sind Maschinen vernetzt? Kommt es zu häufigen Produktionsfehlern, langen Standzeiten?
  • Lager: Werden Bestände automatisiert erfasst, gepflegt und aktualisiert? Lagern Waren unnötig lange, bevor sie verkauft oder verarbeitet werden?
  • Buchhaltung/Controlling/GF: Gelangen alle Informationen einheitlich in die Abteilung oder gibt es viele verschiedene Quellen und Schnittstellen?
  • Kommunikation: Können Beschäftigte Informationen einfach und schnell austauschen? Oder kommt es oft zu Missverständnissen und Ungereimtheiten?
  • Lieferanten: Erhalten Sie von Lieferanten alle wichtigen Informationen rechtzeitig und passend?
  • Logistik: Werden Routen zeitschonend und materialeffizient geplant und optimiert?
  • Kundenservice: Sind Kunden ideal mit Informationen versorgt? Erreichen Sie alle potenziellen Kunden? Gibt es regelmäßige Beschwerden oder Retouren?

Sie werden sicherlich einige Prozesse finden, die noch nicht perfekt laufen. Und einige von ihnen haben nichts „Digitales“ an sich. Das ist vollkommen natürlich: Viele Unternehmen haben sich lange nicht mehr mit ihrem Betriebsablauf auseinandergesetzt und es gibt viel aufzuholen. Manchmal hakt es auch nur zwischen Abteilungen in der Kommunikation – auch das lässt sich verbessern.

Eine ganze Reihe an Prozessen werden sich jedoch für digitale Lösungen eignen: Ein Ansatzpunkt, diese zu finden, könnten zum Beispiel Medienbrüche sein. Ein Medienbruch geschieht immer dort, wo Daten aus einem Medium (etwa Papier) in ein anderes (Computer) übertragen werden müssen. Sie kosten für gewöhnlich viel Zeit und damit Geld.

Gibt es zum Beispiel einen Wareneingang in Ihrem Unternehmen, bei dem Lieferscheine händisch abgehakt werden und im Anschluss der Bestand in den Computer eingetippt wird? Hier könnte ein Scanner Prozesse beschleunigen. Gibt es unterschiedliche Systeme für die Erfassung ihres Lagerbestands und ihrer Aufträge? Führen Sie noch Excellisten in der Buchhaltung, im Personalwesen oder Lager? Da kann ein ERP-Programm Prozesse vereinheitlichen (ERP steht für Enterprise Resource Planning).

All das könnten Ansatzpunkte für ein Digitalisierungsprojekt sein. Manchmal sind es große Prozesse, welche das komplette Unternehmen betreffen, manchmal betrifft es nur einzelne Abteilungen oder Aufgaben einzelner Beschäftigter. Fangen Sie ruhig klein an und arbeiten Sie sich langsam hoch.

Klicken Sie sich durch den Digitalen Reifegradtest auf der Webseite des Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Bremen. Er gibt Ihnen eine Orientierung, in welchen Bereichen Verbesserungspotenziale warten.

Leitfaden Digitalisierung_Schritt_2

Leitfaden Digitalisierung Schritt 2: Prozesse Schritt für Schritt analysieren

Sie haben Digitalisierungspotenziale in Ihrem Unternehmen identifiziert und ein Ziel formuliert? Schreiben Sie es auf – so konkret wie möglich. Jetzt geht es an den nächsten Schritt: Betrachten Sie den ausgewählten Prozess und untersuchen Sie ihn genau. Hier geht es noch nicht so sehr darum, sofort einen digitale Lösung zu finden, sondern ihn genauestens zu verstehen, um mögliche Verbesserungspotenziale zu finden.

Schlagen Sie es sich dabei aus dem Kopf, einen analogen Prozess 1:1 ins Digitale umsetzen zu wollen – was analog nicht funktioniert, wird digital auch nicht besser funktionieren. Vielmehr geht es darum, die digitalen Möglichkeiten zu nutzen, um Prozessketten neu zu ordnen, Verbesserungen zu finden und umzusetzen. Es ist eher ein „Neustart“ als „Mehr vom Selben“.

Oft wissen die betroffenen Angestellten selbst am besten, wo es hakt, wo Dinge nicht rund laufen. Organisieren Sie einen Workshop mit ausgewählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und finden Sie gemeinsam mögliche Ziele von Digitalisierungsaktivitäten. Gehen Sie dafür neue Wege, an neue Orte und schaffen Sie eine offene Atmosphäre. Und bringen Sie Zeit für den ersten Aufschlag mit (min. 2-3 Stunden), denn unter Druck werden Ergebnisse bestenfalls mittelmäßig.

Bedenken Sie dabei, dass „Digitalisierung“ für jede Angestellte und jeden Angestellten etwas anderes bedeuten kann: Papierloses Büro, Home-Office, Roboter, eine Internetseite. Die Wissensstände sind oft sehr unterschiedlich. Sorgen Sie dafür, dass alle über dasselbe sprechen (zum Beispiel über einen Einführungsworkshop)

Bei der Prozessanalyse gibt es verschiedene Methoden, auf die Sie zurückgreifen können. Eine ist zum Beispiel die SIPOC-Analyse, bei der ein Vorgang detailliert nach den beteiligten Akteuren und deren Handlungen aufgefasert wird. Ein Beispiel dafür findet sich hier.

Wichtig: Vermeiden Sie es, sofort in Lösungen zu denken! Es ist verlockend, mit schnellen Ergebnissen vorzupreschen, nach dem Motto: „Ich kenn‘ da was!“ Die Lösungen kommen erst ganz zum Schluss – vorher steht das Verstehen.

Methoden wie SIPOC helfen dabei, die Perspektive zu wechseln. Eine Charakteristik vieler erfolgreicher Digitalprozesse ist es, dass sie die Betroffenen ins Zentrum aller Überlegungen stellen. Was benötigt der Kunde wirklich? Was hilft weiter? Wie wird der Alltag einfacher, der Einkaufserlebnis besser? „Kunde“ steht in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich für die Endverbraucherin oder den Endverbraucher, sondern für alle diejenigen, welche am Ende eines Prozesses stehen können. Seien es Lieferanten, Zwischenhändler oder eigene Beschäftigte.

Leitfaden Digitalisierung_Schritt_3

Leitfaden Digitalisierung Schritt 3: Maßnahmen einleiten

Sie haben einen aussichtsreichen Prozess für die Digitalisierung identifiziert und diesen genauestens betrachtet? Jetzt geht es ans Eingemachte in diesem Leitfaden für die Digitalisierung. Sie können Sie jetzt über Maßnahmen nachdenken, die Ihnen helfen, ihr Ziel zu erreichen.

An diesem Punkt werden Sie Know-how benötigen. Einerseits das Wissen, welche Technologien sich für Ihr Problem eignen – andererseits das Wissen um die Technologien selbst.

Wenn Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die sich dafür begeistern – perfekt. Bilden Sie eine kleine Gruppe, ein Digitalisierungsteam, das mit den nötigen Ressourcen ausgestattet ist, um zu recherchieren. Verschaffen Sie sich einen Überblick über Lösungen am Markt und finden Sie heraus, ob diese sich für Ihr Problem eignen.

Schaffen Sie ein Pilotprojekt, einen kleinen Kosmos, in dem sich die neue Technologie erproben lässt, ohne dass sie sofort Ihren gesamten Betriebsablauf umstellen müssen. Geben Sie ihm genügend Zeit – drei bis sechs Monate – oft treten Herausforderungen erst im Prozess auf.

Sie haben keine Zeit und keine Ressourcen, um nach einer Lösung für Ihre Herausforderung zu suchen? Kein Problem, dafür gibt es Hilfe:

In Bremen etwa:

  • das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Bremen und die Bremer Digital-Lotsen für den Einzelhandel, Gastronomie und Tourismus: Beide bieten Ihnen Unterstützung im gesamten Digitalisierungsprozess an, unabhängig und kostenneutral, von Beginn an. Speziell für die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen ausgelegt, kennen sie die Herausforderungen und Bedürfnisse von Unternehmen in Bremer und im Bremer Umland.
  • das Förderprogramm Digitalisierungsberatung: Die BAB – Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven bietet Unternehmen eine Förderung von 50 Prozent der Gesamtkosten für das Engagement eines Beratungsunternehmens. Dies kann dann mit Ihnen zusammen Prozesse prüfen und Maßnahmen vorschlagen.
  • Förderung des Bundes go-digital: Auch das Förderprogramm des Bundes erleichtert den Zugang zu Expertinnen und Experten, welche bei der Digitalisierung im Unternehmen unterstützen.
  • Kooperation mit der Wissenschaft: Planen Sie mit einer digitalen Innovation, die es so bisher noch nicht auf dem Markt gibt, kann die Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen Zugang zu digitalem Know-how bieten (wie etwa das Bremer BIBA). Hier empfiehlt es sich, im Voraus mit Expertinnen und Experten – wie vom Mittelstand 4.0 Zentrum – zu sprechen.
  • IT-Unternehmen in Bremen: Wer lieber auf eigene Faust ein IT-Unternehmen seines Vertrauens engagieren möchte, findet in Bremen viele Anbieter. Ein erster Ansatzpunkt ist hierbei zum Beispiel der Digitalverband bremen digitalmedia, dessen Mitglieder in vielen Bereichen der Digitalwirtschaft aktiv sind.
Leitfaden Digitalisierung_Schritt_4

Leitfaden Digitalisierung Schritt 4: Digital denken lernen

Ist ein erstes Test-Projekt erfolgreich umgesetzt und zeigen sich sinnvolle Verbesserungen – ob mithilfe einer Beraterin oder eines Beraters oder im Alleingang – steht die größte Herausforderung an: Die Integration in den Alltag. So ziemlich jede und jeder  dürfte sich an Projekte erinnern können, die vielversprechend begannen, im Alltag dann aber schnell im Nichts versandeten.

Das kann viele Gründe haben: Die, die es benutzen sollen, wollen damit nicht umgehen, die technische Umsetzung ist fehlerhaft und anfällig oder der Wurm gefällt zwar dem Angler – aber nicht dem Fisch.

Deshalb ist es wichtig, das eigene Personal frühzeitig einzubinden, in der Entwicklung der digitalen Lösung wie auch in der abteilungsübergreifenden Weiterqualifizierung. Der Wandel wird zu einem konstanten Begleiter im Unternehmen und lebenslanges Lernen damit unverzichtbar. Unternehmen müssen daher eine Kultur entwickeln, in der sie ihre Angestellten mitnehmen und motivieren, den Weg gemeinsam zu gehen. Entwickeln Sie eine Lösung für Kunden oder Lieferanten, binden Sie auch diese frühzeitig ein, geben Sie sich transparent und nutzen Sie die Gelegenheiten zu Vernetzung. Gemeinsam sind Sie stärker.

Informieren Sie sich über neue Entwicklungen in Ihrer Branche und bleiben Sie am Ball. Beispiele für eine erfolgreiche Umsetzung von Projekten und Digitalisierungsstrategien finden Sie etwa hier:

Nehmen Sie an Online-Seminaren und Weiterbildungen teil – viele von ihnen gibt es umsonst. Eine große Auswahl finden Sie etwa auf der Seite der Initiative Mittelstand Digital:

Leitfaden Digitalisierung_Schritt_5

Leitfaden Digitalisierung Schritt 5: Am Ball bleiben

Digitalisierung ist keine einmalige Investition, sondern ein fortwährender Transformationsprozess. Technologien, Kundenansprüche und Wünsche sowie die damit verbundenen Geschäftsmodelle entwickeln sich stetig weiter. Der „digitale Wandel“ begleitet Unternehmen permanent. Beispiel: Vor fünf Jahren war „künstliche Intelligenz“ ein Nebenthema, heute wird sie auch vom Mittelstand in ersten Beispielprojekten im Alltag eingesetzt.

Mit dem Durcharbeiten dieses Leitfadens und einem Digital-Projekt ist es daher nicht getan. Unternehmen sollten regelmäßig ihre Prozesse analysieren und anpassen. Das geschieht oft ganz automatisch: Firmen beginnen mit einem kleinen Digitalisierungsprojekt in einer Abteilung oder einem Geschäftsbereich, spüren die positiven Effekte und machen sich dann an das nächste Projekt. Statt in einem großem „Abwasch“ entsteht so eine stetige Digitalisierung, die ressourcenschonender ist und gleichzeitig schneller auf neue Entwicklungen reagieren kann.

Bilden Sie ein Digital-Team aus interessierten Angestellten. Dies muss sich nicht Vollzeit mit Digitalisierung beschäftigen – das können sich ohnehin nur die wenigsten Unternehmen leisten. Aber auch nebenbei kann man die Digitalisierung vorantreiben – zum Beispiel mit einem externen Partner an seiner Seite. Gemeinsam gelingt es!

Sie fanden diesen Leitfaden für die Digitalisierung hilfreich, würden aber gern mit jemandem ganz konkret über Ihr Anliegen sprechen? Dann melden Sie sich direkt bei uns – wir freuen uns auf Sie!

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